Das MSV-Museum im Dachgeschoss
DerWesten Spezial - Sammeln, 25.12.2008,
WAZ, 05.01.2009
Von Tina Halberschmidt
Der MSV, das ist für sie eine "Weltanschauung". "Fast wie 'ne Religion", sagen Wolfgang Berndsen und Klaus Dings, und das meinen sie ernst. Die zwei sind mehr als bloß Fans: Sie sind leidenschaftliche Sammler. Im Dachgeschoss von Berndsens Häuschen haben sie ein MSV-Museum eingerichtet.
Zebrastreifen, wohin das Auge blickt. 60 Quadratmeter, vollgestopft mit blau-weißen Erinnerungsstücken. Die Wände, übersät mit Vereinswimpeln, Stickern, Aufnähern und Fotos. Von der Decke hängen MSV-Trikots aus mehreren Jahrzehnten, fein säuberlich nach Spielzeiten sortiert. 147 sind es insgesamt. "Und natürlich alle original getragen." Das ist Wolfgang Berndsen und Klaus Dings wichtig.
Auf dem Boden stehen drei Hartschalensitze, die die beiden "Zebras" aus dem alten, inzwischen abgerissenen Wedaustadion gerettet haben. "Die brauchen Sie aber nicht zu fotografieren, die hat doch jeder", meint Berndsen.
Lieber möchte der gelernte Werkstofftechniker die historischen Vereinszeitungen zeigen: "Hier, schauen Sie mal, dieses Heft ist von September 1948", freut sich der MSV-Sammler und -Archivar und fügt stolz hinzu: "Das ist die erste Ausgabe, die uns bekannt ist."
Berndsen ist das, was man normalerweise als "eher introvertiert" beschreiben würde, aber wenn es um die Sammlung geht, taut er auf. Dann weiß er gar nicht, wovon er zuerst schwärmen soll: Von dem Foto der ersten Kriegsmannschaft aus den Jahren 1914/15? Oder von der Vereinschronik aus dem Jahre 1927, die Berndsen eher zufällig vor der Abfalltonne gerettet hat? "Der Sohn eines MSVlers hatte sie vererbt bekommen und konnte nichts damit anfangen." Nichts damit anfangen? Das könnte Berndsen und Dings nicht passieren. Sie finden für jedes noch so kleine zebragestreifte Schnippselchen einen Platz. Alles, was den Duisburgern aus den letzten 106 Jahren ihrer "Zebras" in die Finger kommt, heben sie auf.
Telegramm von 1963
Jedes neue Fundstück wird katalogisiert und in die Sammlung aufgenommen ob Festzeitschrift, Sammelbild oder das Telegramm von 1963, auf dem in altmodischer Schreibmaschinenschrift zu lesen ist: "Ihrem Aufnahmeantrag Bundesliga wurde stattgegeben. Deutscher Fußballbund". Oder die unter anderem von Ernst Kuzorra und Fritz Szepan unterschriebene Dankes-Postkarte aus dem Jahre 1929. "Da hatte Schalke gegen uns das Spiel um die Westdeutsche Meisterschaft gewonnen", erklärt Berndsen, und mit "uns" meint er den MSV, klar. War es denn damals allgemein üblich, dass sich die Sieger bei den Verlierern bedankten? Berndsen zuckt mit den Schultern. "Das weiß ich wirklich nicht."
Ohne Tradition keine Zukunft
Was Berndsen, für den der MSV Duisburg immer der "Meidericher Spielverein" bleibt, aber ganz sicher weiß: "Ohne Tradition gibt es keine Zukunft." Auch wegen dieses Leitspruchs, den verschiedene MSV-Fanclubs vor rund einem Jahr als Motto für eine Demonstration durch die Duisburger Innenstadt nutzten , sammeln Berndsen und Dings MSV-Geschichte. Und Geschichten. "Gucken Sie mal, die Eintrittskarte hier vom Pokalfinale 1966 gegen den FC Bayern München. Die hat damals eine Mark gekostet, das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen", sinniert Berndsen.
Vom Zebra-Virus infiziert
Mit 14 Jahren wurde er vom Zebra-Virus infiziert. "Eigentlich war ich ja ein Hamborner, aber einmal bin ich eben doch zum MSV mitgegangen", erzählt der 52-Jährige. Die Stimmung im damaligen Wedaustadion packte ihn, ließ ihn nicht mehr los. In den 70er und 80er Jahren verpasste Berndsen "insgesamt nur sechs Spiele". "Vier wegen der Bundeswehr, zwei wegen Urlaub", rechnet der Sammler, der immer mit dem Herzen dabei war ob zu Hause oder auswärts, Pokal- oder Meisterschaftsspielen, im Europapokal, Uefa-Cup, in der Ersten oder Oberliga. Sogar die Freundschaftsspiele gehörten zu seinem Pflichtprogramm.
"Ennatz", das große Idol
Inzwischen folgen Berndsen und Dings ihrem Verein nicht mehr regelmäßig quer durch Deutschland und alle Ligen. Dafür können sie sich "stundenlang" in alten Zeiten verlieren, wenn sie die Autogrammkarten und Sammelbildchen betrachten, die sie in Aktenordner fein säuberlich hinter Folie geheftet haben: Schwarz-Weiß-Porträts von früheren MSV-Spielern wie Ferdinand Mühlenberg oder Gerd Schönknecht, die frontal in die Kamera lächeln, 50er Jahre-Haartollen und natürlich zebragestreifte Trikots tragen. Ein Ganzkörperfoto nun schon in Farbe von Helmut Rahn aus der Saison 1965/66. Dann, im grünen "Diebels Alt"-Dress (1977/78), Bernard Dietz.
Alles handsigniert
"Ennatz" ist Berndsens großes Idol: "Eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Sein Kämpferherz, seine Menschlichkeit ein ganz feiner Sportsmann", schwärmt der Sammler und blättert weiter durch die MSV-Geschichte: Bubi Hetzel, Ludwig Nolden, "Eia" Werner Krämer, Alfred Nijhuis über 4.000 Autogrammkarten und Sammelbilder haben Berndsen und Dings zusammengetragen, "selbstverständlich" alle signiert. Ihre Sammlerstücke finden sie nicht bei Ebay. "Beziehungen" lautet das Zauberwort. Berndsen grinst. Zu einzelnen Spielern, dem Verein, zu anderen Archivaren als ehemaliger Schreiber und Macher der Vereinszeitung "Zebra-Magazin" und Mitglied der ersten Stunde des ehemaligen Fanclubs "Die Zebras 74" kennt Berndsen viele Fußballbegeisterte.
Immer wieder finden so einzelne Liebhaberstücke den Weg auf seinen Dachboden: der MSV-Wimpel zum Beispiel, der lange Zeit in einem Düsseldorfer Keller verstaubte. Oder der Banner, den ihm ein Kölner Sammler angeboten hat.
Nicht immer werden die Exponate kostenlos zur Verfügung gestellt. Einen sechsstelligen Betrag haben Berndsen und Dings für ihr blau-weißes Museum bereits ausgegeben. "Einen hohen sechsstelligen Betrag", betont Berndsen. Aber das ist es ihnen wert. Denn der MSV ist für sie viel mehr als nur ein Fußballverein. Blau-Weiß ist die Farbe ihrer Religion.
Das MSV-Archiv
Wolfgang Berndsens und Klaus Dings Sammlung machen nicht nur tausende Fotos, historische Vereinszeitungen und Trikots aus auch das umfangreiche MSV-Archiv zaubert MSV-Fans ein breites Grinsen aufs Gesicht. In über 150 penibel beschrifteten Aktenordnern finden sich handgeschriebene Statistiken zu allen Pflicht- und Freundschaftsspielen des MSV seit 1902 lückenlos. "Jeder Gegner, jeder Schiedsrichter, jedes Ergebnis alles ist gelistet", beschreibt Wolfgang Berndsen. Die Daten, Zahlen und Berichte wurden in mühevoller Kleinarbeit von Klaus Dings zusammengetragen. "Er hat wie ein Wahnsinniger recherchiert, Archive durchpflügt, seinen Urlaub geopfert. Das ist sein Lebenswerk. Er ist ein positiv Verrückter. Eigentlich für mich der größte MSV-Fan aller Zeiten", sagt MSV-Sammler Berndsen.
Nun auch online
Ihre Sammlung haben Wolfgang Berndsen und Klaus Dings online gestellt. Im Netz kann man nahezu alles bewundern, was das Herz eines jeden MSV-Fan höher schlagen lässt: Hier finden sich Fotos von Trikots und vielerlei mehr. "Ohne die Unterstützung von Gabi Petrick, die die Fotogalerie betreut, sowie von unserem Webmaster Uwe Drath wäre dieses Projekt nicht zu stemmen gewesen", bedankt sich Wolfgang Berndsen bei seinen Helfern.